Teheran, Stadt ohne Himmel - eine Chronologie von Albtraum und Tod by Amir Hassan Cheheltan

Teheran, Stadt ohne Himmel - eine Chronologie von Albtraum und Tod by Amir Hassan Cheheltan

Autor:Amir Hassan Cheheltan [Cheheltan, Amir Hassan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406639449
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


7

Elf Uhr abends

Die Tür ging auf, und plötzlich war das Haus voller Lärm. Die Geräusche setzten sich im Treppenhaus fort, sie wurden von Getrampel begleitet, aber ein paar Sekunden später gingen die Türen zu, und es wurde still. Im selben Augenblick öffnete Ghontsche das Zimmer. Kerâmat lag ausgestreckt da. Er hielt sich den Handrücken an die Stirn und hatte die Augen geschlossen. Sein Atem verriet Ghontsche, dass er wach war. Sie fragte: «Du schläfst noch nicht?»

Kerâmat wandte sich, ihrer Stimme folgend, auf dem Kissen zu ihr um und schüttelte teilnahmslos den Kopf.

Ghontsche legte den Tschâdor und die Kopfbedeckung, die sie darunter getragen hatte, auf den Sessel und setzte sich neben ihn aufs Bett. Sie erzählte ihm: «In einer Boutique hab ich eine Bluse gesehen. Sie ist bloß ein bisschen teuer.»

Jedes Mal, wenn sie ein schönes Kleidungsstück sah, wurde sie aufgeregt und musste, sie wusste selbst nicht, warum, seufzen. Kerâmat lag mit geschlossenen Augen da und achtete kaum darauf, was seine Frau sagte.

Sie forderte ihn auf: «Rate doch mal, wie viel!»

Und im selben Moment nickte er mit dem Kopf. Kerâmat ließ seine Hand ihren Rücken hinuntergleiten.

Sie meinte: «Achtundneunzigtausend Tumân. Teuer, was?»

Kerâmats Hand war inzwischen bei der Hüfte angelangt und streichelte ihre Rundung.

Ghontsche ergänzte: «Auf der Brust sind Pailletten. Übrigens hab ich da auch noch …»

Kerâmat unterbrach sie: «Kauf ich dir.»

Er nahm die Frau bei der Hand und zog sie zu sich herunter. Ohne die Augen zu öffnen, zog er sie Stück für Stück aus, dann streichelte er sie und fing an, heftig zu atmen, bis Ghontsche mit einem Mal in Lachen ausbrach. Kerâmat hielt einen Moment bewegungslos inne, und als er schließlich die Augen aufmachte, lachte sie noch immer. Er lehnte den Kopf nach hinten und sah sie an. Ghontsche fragte spitzbübisch: «Wer ist eigentlich diese ‹liebe Batul›?»

Kerâmat zuckte zusammen. Er fürchtete, Ghontsche könnte seine Gedanken lesen. Aber dann hatte er sich wieder im Griff und erwiderte: «Eine liebe Batul?»

Ghontsche erklärte: «Du warst zwar bei mir, aber in Gedanken ganz woanders …»

Er schob seine Hand Zoll für Zoll nach oben. Kerâmat drehte sich auf die Seite, die Frau richtete sich auf und setzte sich. Sie bemerkte: «Heute zuerst Talâ und jetzt auch noch die ‹liebe Batul›! … Sag mal, was fehlt dir denn an mir?»

Wie schamlos die Frauen doch waren! Kerâmat kitzelte die Hüfte der Frau.

Ghontsche insistierte: «Zum Teufel! Nun sag doch!»

Und mit diesen Worten drehte sie sich wieder zu Kerâmat um, sie schüttelte die Haare, dass sie hin und her flogen, legte sich die Hand hinter den Kopf und machte den Hals lang. Und während sie sich auf die Lippen biss, kniff sie die Augen zusammen und richtete den Blick auf Kerâmat.

Auf einmal sah sie aus wie Talâ, die ihn mit umflortem Blick verführerisch durch den schmalen Spalt ihrer halb geschlossenen Augen anschaute. Sie verstand ihr Geschäft, sie wusste, wie man die Männer kirre macht, wie man sie zu Sklaven macht; Gott hatte das weibliche Geschlecht zu nichts anderem geschaffen als dazu, die Männer vom rechten Weg abzubringen. Aber Ghontsche verstand Gott sei Dank nicht allzu viel von diesen Dingen.



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